Bestandsaufbau / Erwerbungsmanagement (im Kurzüberblick)

Grundsätze und Methoden (Fokus auf WB)
  • weltweit jährlich über 1 Mio Buch-Neuerscheinungen, davon ca. 80 000 Titel in Deutschland; zusätzlich AV-Medien, elektronische Medien (E-journals, E-books ...) --> keine Bibliothek kann alles vollständig erwerben. Daher muss die Auswahl der Medien kritisch und planmäßig erfolgen u. sich nach den Aufgaben der Bibliothek sowie den Erwartungen der Kunden richten!
  • oberste Maxime: Es kommt darauf an, die wesentlichen Medien, die vom Benutzerkreis gebraucht werden, zu erwerben bzw. den Zugang hierzu (z.B. auf digitalem/elektronischem Weg) bereitzustellen
  • weitere Kriterien für die Auswahl von Literatur bzw. Medien
    • Qualität
    • aktuelle Bedeutung
    • (soweit übersehbar) zukünftiger Wert
    • Höhe des zur Verfügung stehenden Anschaffungsetats
    • zugleich auch Entscheidung, ob Mehrfachexemplare sinnvoll (z.B. Lehrbuchsammlung, Mehrfachexemplare)
  • im Idealfall legen Bibliotheken in einem Erwerbungsprofil detailliert fest, welche Fachgebiete, Literaturarten, Publikationsformen und Sprachen in welcher Intensität gesammelt werden
  • unter Berücksichtigung von Durchschnittspreisen einzelner Fachgruppen und Literaturarten und der Berücksichtigung von elektronischen Medien kann man verschiedene Etatmodelle (Etatbedarfs- und Etatverteilungsmodelle) entwickeln
    • in Universitätsbibliotheken häufig 2 Säulen-Modell
      • Universitätssäule: Anzahl der Lehrenden und Studierenden pro Studienfach, Gewichtung z.B. 70:30
      • Literatur-/Mediensäule: Durchschnittspreise für Bücher (print und elektronisch) und Zeitschriften (print und elektronisch) pro Studienfach
      • beide Säulen können mit 50:50 gewichtet werden und daraus dann für jedes Studienfach ein Prozentwert gebildet werden, z.B. ...
        • Biologie erhält 8% vom Gesamtetat
        • Medizin erhält 19% vom Gesamtetat
        • Geisteswissenschaften erhalten insgesamt 16% vom Gesamtetat
          • vgl.: Winter et al.: Etatverteilung 2020, in: o bib 2020/3
Bestandsmanagement in Öffentlichen Bibliotheken / wichtige Stichpunkte (vgl. hierzu auch OEBIB, Fachstelle Bayern)
  • Bestandskonzept (oft im Rahmen eines umfassenden Bibliothekskonzeptes) erstellen
    • "... orientiert sich an den kommunalen sowie politischen Vorgaben des Trägers, fachlichen Standards, den eigenen bibliothekspolitischen Zielen und den Wünschen bestehender sowie zukünftiger Kunden. Enthalten in einem guten Bestandskonzept sollten sein:
      • grundsätzliche Zusammensetzung und Nutzungszweck des Bestandes
      • Definition der Zielgruppen und Schwerpunkte (auch über eine demographische Umfeldanalyse sowie Kundenbefragungen im Rahmen eines übergreifenden Bibliothekskonzeptes!)
      • Anteile der unterschiedlichen Medien- und Sachgruppen
      • Profilbildung und damit eine eindeutige Positionierung der Bibliothek innerhalb der Stadt oder der Gemeinde (z. B. Unterstützung der Aus- und Weiterbildung, Ausbau zur Familienbibliothek, Schwerpunkt Seniorenarbeit, Leseförderung)" (vgl. Büchereizentrale Niedersachsen - Medienbestand/Grundlagen)
      • Umsetzung und Kontrolle der festgelegten Bestandsaufgaben
      • Anpassung an aktuelle Entwicklungen
      • Marketingmaßnahmen für den Bestand sowie kundengerechte Medienpräsentation
    • Wie viel Erwerbungsmittel benötigt eine Bibliothek? (LB-Zentrum Rheinlandpfalz), Richtwert: 1 Euro pro EW der Gemeinde/Stadt
    • wichtige Kennzahlen
      • Grundzielbestand mindestens 2 Medieneinheiten pro EW der Gemeinde/Stadt (sollte bei Neugründungen von Bibliotheken nach ca. 5 bis 8 Jahren erreicht sein)
      • mindestens 20% Anteil an E-Medien; je ein Drittel des Etats sollte für Kinder- und Jugendliteratur, Belletristik und Sachbücher bereitstehen
      • ca. 10% jährliche Erneuerungsquote
      • Bestandsanteil (%) = Bestandsgruppe x 100 / Gesamtbestand
      • Ausleihanteil (%) = Ausleihe einer Bestandsgruppe x 100 / Gesamtausleihe
      • Umsatz = Ausleihe / Bestand; zentraler Indikator für die Nutzung des Bestandsangebotes; gibt an, wie oft der Bestand im Jahr ausgeliehen (= umgesetzt) wird. Ideal: jedes Medium in der Bibliothek sollte mindestens 2 Mal im Jahr ausgeliehen werden
        • weitere Empfehlungen für konkrete Umsatzzahlen ...
          • Sachliteratur: 3 bis 5 fach
          • Kinder- und Jugendbücher: 5 bis 9 fach
          • Belletristik: 4 bis 7 fach
          • AV-Medien: 7 bis 10 fach
      • Bestandsabbau: ca. 10% des Bestandes jährlich aussondern
        • Aktualität / sinkende Ausleihzahlen, Verschleiß, neue/geänderte fachliche Ausrichtung im Erwerbungsprofil
        • siehe auch Bestandspflege
    • neuere Tendenzen: collectionHQ - Bestandsoptimierung über Datenanalysen (Datamining mit den Bestands- und Ausleihdaten, um genauer zu analysieren, welche Bestände gut bzw. weniger gut frequentiert wurden; in Deutschland bisher nur ein internes Projekt mit StB Frankfurt)

 
Methoden der Literatur und Medienauswahl in einer Bibliothek / Allgemeines
a) Sichtung des Literaturangebots aufgrund von ...
  • Nationalbibliographien (wöchentliches Verzeichnis der DNB)
  • sonstige Allgemein- und Fachbibliographien
  • Verlagskataloge und Verlagsprospekte
  • Buchbesprechungen und Literaturhinweise in Fachzeitschriften (oft eigener ausführlicher Rezensionsteil "Neuerscheinungen" etc.)
  • Literaturhinweise aus Newsletters bzw. Mailinglisten, Weblogs etc.
  • Vorschläge von Kunden (--> Wunschbuch)
b) Begutachtung und Beurteilung durch ...
  • Einsichtnahme durch Ansichtsexemplare (allerdings sehr aufwendig! nur bei sehr teueren Werken sinnvoll)
  • Besprechungen / Rezensionen (Begutachtung durch andere kompetente Fachleute)
  • die bibliographischen Angaben selbst
    • Name des Verfassers (bekannter Schriftsteller oder Wissenschaftler)
    • Titel (Thema u. Formulierung)
    • Erscheinungsjahr (Bedeutung und Aktualität des Themas)
    • Art des Verlages oder der herausgebenden Stelle
    • Zugehörigkeit zu einer anerkannten wissenschaftlichen Reihe
    • Ausstattung

c) Medienauswahl in ÖBs

    • durch die Bibliothekarinnen und Bibliothekare auf Bachelorebene; häufig ist man für ein oder mehrere Themengebiete als sog. Lektor/Lektorin zuständig
    • hilfreich beim Auswahlprozess: Lektoratskooperation sowie das Börsenblatt - Fachmagazin der Buchbranche

d) Medienauswahl in WBs

  • in der Regel durch sog. Fachreferat (höherer Dienst), dort auch Festlegung/Berechnung der Etatverteilung pro Fach
  • Sichtung der einschlägigen Auswahlunterlagen; zusätzlich enger Kontakt mit den Einrichtungen für Forschung und Lehre

 

 
Erwerbungsarten (Auswahl)

Kauf

  • inländische Neuerscheinungen: in der Regel über den ortsansässigen Buchhandel
  • ausländische Neuerscheinungen: spezielle Importbuchhandlungen oder über sog. Library Suppliers (haben sich auf die Belieferung von Bibliotheken (Bsp: Dietmar Dreier) spezialisiert oder bei Zeitschriften auch über sog. Zeitschriftenagenturen (Bsp: Schweitzer Fachinformation)
  • Bibliotheksrabatt: 5% bei WB; 10% bei ÖB
  • Kooperation mit Buchhandel sinnvoll
    • "approval plan": Auswahl nach Profil; wird auf Händler übertragen
    • "standing order": kontinuierliches Angebot (nach Profil) zur Auswahl
    • "blanket order": vollständige Lieferung (nach Profil) ohne Rückgaberecht seitens der Bibliothek
    • "outsorcing": elektronische Bestellkartei, Vergabe von Zugangsdaten (Inventarnr.), Stempeln, Signaturvergabe, Binden etc.

weitere Erwerbungsarten im Überblick ...

  • Tausch: Tauschgabe und Gegengabe sollten sich wertemäßig entsprechen.
    • Tauschgut kann sein ...
      • eigene Publikationen der Bibliothek
      • Dissertationen u. weitere Hochschulschriften (als typisches Tauschgut)
      • Dubletten
    • Pauschaltausch, Einzeltausch, Verrechnungstausch
  • Pflichtablieferung: gesetzlich vorgeschriebene Ablieferung von Medien (überregional bzw. regional; kann notfalls auch per Gerichtsvollzug besorgt werden)
  • Geschenk (kann, muss aber in der Regel von Bibliotheken nicht inventarisiert werden)

Lizenzierung von elektronischen Medien (E-books, E-journals, Datenbanken etc.)

  • durch Lizenz erwirbt die Bibliothek ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht (Eigentumsrechte bleiben beim Anbieter!)
  • neben dem Preis sind weitere Aspekte der Vertragbedingungen wichtig
    • Definition der Nutzergruppe (wer darf unter welchen Bedinungen nutzen?)
    • Modalität der Benutzung: nur in den Räumen der Bibliothek oder auch Fernzugriff? Einzel- oder Mehrfachzugriff?
    • Datenexport: Weiterverarbeitung und Speicherung der Daten durch die Endnutzer
    • Langzeitnutzung: Klärung der langfristigen Zugriffsrechte (z.B. Überlassung der Publikation auf Datenträger oder längerfristige Zugriffsrechte auf einen internen Verlags- oder Archivserver)

Exkurs: Online-Publikationen (E-books, E-journals, online-Datenbanken ...)

  • Konsortialer Erwerb von Online-Publikationen am Beispiel des HeBIS-Konsortium
  • Nationallizenzen für elektronische Medien
  • Lokale Online-Bestände (Unterstützung der Bibliothek zu Open Access) --> Bibliotheken als Anbieter digitaler Dokumente auf bibliothekseigenen Publikationsservern (sog. digitales Publizieren) ...
    • eigene Publikationen
    • aktuelle Publikationen von Wissenschaftlern (z.B. Abschlussarbeiten auf spezielle Dokumentenserver)
    • urheberrechtsfreie Publikatonen, sog. Retrodigitalisierung
 

 

optional: Übung zum Bestandsaufbau - Medienerwerbung für unsere Hochschulbibliothek

Ergebnis der Übung

  • Solide zusammengestellte Literatur- und Medienliste (wo möglich, mit kurzen Annotationen) und ausführliche Dokumentierung der Vorgehensweise
  • Präsentation und Diskussion der Vorgehensweise, Zwischen- sowie Endergebnisse jeweils im Plenum

 

Copyright: B. Meier