Stichworte zur Handschriftenkunde
(in Anlehnung an: Weddige,
H.: Einführung in die germanistische Mediävistik, München 6.
Aufl. 2006, S. 30 ff.)
- mittelalterliche Literatur vor der Ausbreitung des Buchdruckes (1450/1500)
ausschließlich handschriftlich überliefert
- Handschrift für einen engen Kreis von Besitzenden geschrieben, in begrenzten
nicht identischen und meist wenigen Exemplaren vervielfältigt,
Luxusware
- es fehlt das typische Titelblatt
- Beschreibung von Handschriften nach folgenden Merkmalen
...
- Standort: derzeitiger Aufbewahrungsort der Handschrift;
muss sich nicht mit dem Entstehungsort decken (z.B. aus Klosterbesitz, sog.
Säkularisierung)
- Provenienzen: Angaben über Vorbesitzer bzw. Überlieferungs-
und Rezeptionsgeschichte
- Schreibstoff: Papyrus als Schreibstoff
bei Griechen und Römer, vom 4. bis 13. Jh. Pergament
(oft mehrmals beschrieben, sog. Palimpsest), 14./15. Jh. Papier
als Beschreibstoff (Wasserzeichen der damaligen Papiermühlen können
zur Datierung dienen)
- Schrift: Alter und Besonderheit der Schrift, auch verschiedene
sog. "Schreiberhände"; Groß- (Majuskel) / Klein- (Minuskel)
Buchstaben, z.B. karolingische Minuskel; Kursiv- (Schreib-) oder Textura-
(gebrochen-gestreckte, aufrechte rautenförmige Buchstaben) -Schriften;
Bastarda (Misch-Schriften), Frakturschrift (länglich, verschnörkelt)
- Blatt- und Lagenzählung: keine Seitenzählung
(Paginierung), sondern sog. Blätter-Zählung (Foliierung), z.B.
"fol. 10 r" = Blatt 10 Vorderseite (r recto); "fol. 10v"
= Blatt 10 Rückseite (v verso); Anzahl der Lagen (= Anzahl der ineinandergefalteten
Blätter, gezählt wird pro Doppelblatt) werden römisch gezählt:
2 Doppelblätter = II (Binio), meist besteht eine Lage aus vier ineinander
gefalteten Blättern = IV (Quaternio), fehlende Blätter werden
mit Minuszeichen angegeben, z.B. "(IV - 2)" beim Quaternio fehlen
2 Blätter
- Format: Höhe X Breite in mm
- Einrichtung der Handschrift: Spaltengliederung, Zeilenzahl
pro Seite, Umfang der sog. Initialen (= ausgeschmückte Anfangsbuchstaben,
Kapitelanfänge)
- Ausstattung der Handschrift: Bilder, Initialen, Wappen,
Ranken- und sonstiges Schmuckwerk, Verhältnis von Bild und Text
- Einband: Stempel, Wappen, Porträts; Einband allerdings
auch häufig in späterer Zeit überarbeitet
- Schreibdialekt: Grammatik, bestimmte Ausdrucksgewohnheiten
von Schreibern
- Inkunabelkunde: sog. Frühdrucke (als der Buchdruck
noch "in den Windeln" = incunabula lag), Übergangszeit
von der Handschrift zum Druckwerk; versucht häufig noch die Handschrift
nachzuahmen (Spalten), ab 1480 typographische Vereinheitlichung, um 1500 beginnt
Massenproduktion; noch kein Titelblatt, oft nur sog. Kolophon (= Angabe des
Titels, Druckers sowie Druckort und Druckdatum)
- Beispiel für eine Handschriftenbeschreibung
- Irmhart Öser: Aderlassbuch / Heinrich von Mügeln: Gmünder
Chronik, Bayern, 1. Viertel 15. Jh. (Sammel-Handschrift, UB Heidelberg,
Codex Palatina, ehemalige Heidelberger Schloss-Bibliothek)
Copyright: B. Meier